Trainerdiskussion - ja oder nein? (BORUSSEN)

Kulik, Mittwoch, 13.03.2024, 11:44 ( vor 53 Tagen ) @ VFLElmar

...nicht sauber formuliert von mir, denn natürlich gibt es bereits eine Diskussion über Seoane; also eigentlich müsste es „Trainerwechsel - ja oder nein?" heißen, aber das ist mir dann doch gefühlt noch too much.

Ich versuche mal, die Emotionen aus dem gestrigen Ergebnis soweit wie möglich zu reduzieren und eine Art Pro- und Contra-Liste zu erstellen.

Was kann oder muss man bei Seoane positiv sehen?

• Er hat einen schlechteren Kader als seine Vorgänger und ist jetzt nicht himmelweit von deren Tabellenplatz entfernt.
  
• Er moderiert die Lage besonnener als sein dampfplaudernder Vorgänger.
  
• Er stützt junge Spieler mehr, als es zuvor der Fall gewesen ist (Netz, Scally, Reitz) - sicherlich aber manchmal auch aus der Not geboren.
  
• Die Aufstellungen sind m.E. weitestgehend plausibel (bei Kone, an dem sich zuletzt immer mehr Fans stören, bin ich überzeugt, dass er ihn aufstellen muss, weil er der Geldbringer im Sommer werden soll. Vielleicht sogar auf einvernehmliche Weisung von oben).
  
• Die Einstellung stimmt wieder im Vergleich zu den Vorjahren.
  
• Mit Virkus hat er sicherlich keinen Sportdirektor, der mit starken Neuverpflichtungen den merkwürdigen Kader (viele IV und 8er, aber keine zweikampfstarken 6er und durchschlagskräftige Stürmer) wirklich besser gemacht hätte.

Und was ist negativ?

• Ein Punkteschnitt von 1,08 pro Spiel (hochgerechnet auf eine Saison knappe 37 Punkte) ist mehr als dürftig. Mannschaften wie Heidenheim, Bremen und Augsburg machen aus sicherlich nicht besseren Spielerkadern mehr als wir.
  
• Es ist defensiv keine Entwicklung zu sehen. Da erinnert unser latenter Panikmodus eher an eine nervöse B-Jugendabwehr, als an eine Riege aus gestandenen Nationalspielern. Die Mannschaft hat keinen Plan, wie sie verteidigen muss - zumindest wirken die regelmäßig sehr leicht gegen uns zu erzielenden Tore so. Die Wechsel zwischen 3er- und 4er-Kette erscheinen manchmal wirr und oft so, als orientiere man sich ausschließlich am Gegner, anstatt ein eigenes System durchzusetzen, welches dann auch kontinuierlich mehr Sicherheit bringt.
  
• 45 geschossene Tore in der Bundesliga könnte man auch unter „Pluspunkte" setzen, für mich ist unsere offensive Spielidee aber nicht erkennbar, was v.a. gegen die tabellarisch hinter uns stehenden Teams immer wieder auffällt. Die plattitüdenartigen Erklärungen von Seoane nach Minusleistungen („Es fehlten die Tiefenläufe und die nötige Passgenauigkeit..." usw.) sind da für mich wenig erhellend. Ich sehe derzeit zwei kaum zielführende Ansätze im Offensivspiel: Erstens im eigenen Strafraum den Spielaufbau starten -> der Gegner versucht, unsere limitierten Außenverteidiger an den Ball kommen zu lassen -> sind diese am Ball, wird der offensive Außen unter hohem Gegnerdruck die Linie lang angespielt ODER es wird der Ball beim Pass auf die zentraler positionierten Mittelfeldspieler gleich verloren. Und zweitens: Lang auf Jordan, der legt ab und ein Spieler auf der Außenbahn wird steil geschickt.
  
• Bei den beiden letzten, wirklich extrem wichtigen Spielen für die Borussia nehme ich eine deutliche Führungsschwäche wahr: Es scheint, als ob die labile Mannschaft sich selbst überlassen wird und sie keinen Trainer hat, der durch sein Agieren vor oder während des Spiels für psychische Stabilität sorgt. Seoane strahlt dann mehr den „Ritter der traurigen Gestalt" aus als einen Coach, der weiß, was er tut. Da hätte ich gestern lieber den jungen Hans Meyer auf der Bank gehabt - mindestens in der zweiten Hälfte und ganz sicher ab der 80. Minute!
  
• Die Borussia war immer ein Verein, der erfolgreich gewesen ist, wenn es dem Trainer gelungen ist, ein größeres Ganzes zu formen als die Summe der Einzelteile ausmachen. Schlicht deshalb, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlechter sind als an mind. 10 anderen Bundesligastandorten. Bis jetzt hat Seoane nicht nachgewiesen, dass ihm das gelingen kann bei uns.

Ich bin von „100% pro Seoane" mittlerweile nur noch bei knapp über 60%. Vor allem, weil mittlerweile genügend Zeit vergangen ist, um eine klare Entwicklung sehen zu müssen.
Natürlich stellt sich die Frage nach Alternativen. Urs Fischer wird genannt, aber passt sein Union-Underdog-Fußball (als er da noch erfolgreich gewesen ist) wirklich zur Borussia? Nach der Riege der „gut rumgekommenen Trainer im mittleren Alter" könnte ich mir einen Fabian Hürzeler vorstellen (stand mal neben seiner Trainerbank, als er noch in der Bayernliga gecoacht hat - der hatte eine sehr gute Ansprache!), aber der hat seinen Vertrag gerade verlängert und wird mit Pauli aufsteigen.

Auf keinen Fall allerdings würde ich akzeptieren, dass man an Seoane festhält, obwohl man nicht mehr von ihm überzeugt ist, weil man ja vorher bei den letzten Trainern schon regelmäßig daneben lag. Das darf kein Kriterium sein, dass man dann als Trial-and-Error-Verein gelten wird in der Öffentlichkeit!