Bitte schön (BORUSSEN)

AaseeMönch , Senden, Donnerstag, 05.10.2023, 18:54 ( vor 415 Tagen ) @ Potowski

Herr Ludwig, der Altersschnitt der Gladbach-Fans liegt bei über 45 Jahren. Gibt es ein Problem der Überalterung?
LUDWIG Wenn man von Überalterung spricht, muss man ja erstmal feststellen, dass Borussia offenbar eine sehr treue Fanszene hat. Das ist eine hohe Wertschätzung an Borussia, obwohl die großen Erfolge der 1970er Jahre weit zurückliegen. Das ist erstmal ein hohes Gut. Die Idee ins Stadion zu gehen, Borussia anzufeuern und das seit 40 Jahren zu tun, ist aber die eine Sache. Mit unseren Werten und Idealen auch die Jugend und den Nachwuchs zu erreichen, die andere. Da darf es keine Konflikte geben. Wir müssen schauen, dass wir da Brücken bauen. Zum einen müssen wir den Jungen erzählen, was es bedeutet, Gladbach-Fans zu sein. Aber wir müssen den jungen Fans auch zuhören, was ihre Idee ist, ins Stadion zu gehen. Das kann eine andere sein, als bei uns älteren Fan-Generationen.

Was hat sich verändert?
LUDWIG Die Frage ist: Was motiviert einen Fan, ins Stadion zu gehen und einen Klub anzufeuern? In unserer Generation ist irgendwann das Feuer entfacht worden, die Leidenschaft. Heute geht es eher um andere Dinge, zum Beispiel um Lokalpatriotismus, den Event-Charakter des Fußballs, es ist chic, ins Stadion zu gehen.

Ist es schlimm, wenn die Anlässe andere sind?
LUDWIG Wenn man von Leidenschaft spricht, denkt jeder von uns direkt an das Relegationsspiel 2011 gegen Bochum. So eine Explosion der Leidenschaft ist nur möglich, wenn alle Leute im Stadion das Gleiche fühlen. Die Fans, die wegen eines Events kommen, sind da vielleicht nicht so dabei. Darum ist die Frage: Wie kriegt man die Leidenschaft an die neue Fan-Generation transportiert, wie zeigen wir ihnen, dass sich das Borussia-Gefühl nicht über Erfolg definiert, sondern dass es ein Klub mit großer Geschichte ist, ein Klub, der aus bescheidenen Mitteln viel erreicht hat als Underdog?

Aber muss das sein, um heute Fan zu sein? In Zeiten, wo Fans in Mönchengladbach das Trikot von Al-Nassr FC tragen, weil Superstar Cristiano Ronaldo dort spielt?
LUDWIG Hier gilt es zu verstehen: Was ist für jemanden, der ins Stadion geht, das Erlebnis Fußball? Einfach nur, Sport zu gucken? Oder um etwas zu erleben wie im Kino oder auf einem Konzert? Oder ist es tatsächlich mehr? Dass die Menschen das Bedürfnis haben, ihre Freizeit mit Fußball zu verbringen, ist ungebrochen. Nur das Thema Leidenschaft für Borussia, die für mich die Basis des Fan-Seins ist, ist ein Thema, bei dem mir noch die gute Idee fehlt, wie man die dauerhaft konservieren kann.
Muss man als traditionelles Fanprojekt umdenken und sich neu orientieren und definieren und die Fankultur neu denken?
LUDWIG Die Basis des Handelns für die Zukunft ist, welchen Anspruch man als FPMG hat. Erstmal ist da die Rolle als Sprachrohr, um Fan-Interessen zu bündeln, um dem Klub eine Möglichkeit zu geben, sich mit Fans auszutauschen. Dass sich andere Generationen anders mit Fußball beschäftigen und andere Schwerpunkte setzen, ist völlig in Ordnung. Aber das, was wir unter Fankultur verstehen, ist, dass man einen Freiraum in der Kurve hat, in dem man seine Leidenschaft ausleben kann. Selbstverständlich gewaltfrei. Dazu gehören ebenfalls die Werte des Vereins, mit denen man sich identifiziert und unter anderem auch ein Anspruchsdenken, das mit den Möglichkeiten des Vereins korrespondiert. Das ist in meinen Augen authentisches Fan-Sein. Das FPMG sollte sich daher mit den Menschen auseinandersetzen, die diese Werte mitbringen.


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